Samstag, 27. Oktober 2018

Cannabis in Kanada

Quelle: Wikipedia
Seit dem 17.Oktober 2018 ist Cannabis in Kanada legal. Das war eines der Wahlversprechen von Justin Trudeau und entspricht auch der Empfehlung vieler Experten. Die Idee dahinter ist, kriminelle Netzwerke so von einer Geldquelle abzuschneiden und stattdessen auf staatlicher Ebene von dem Geschäft zu profitieren.
Wer über 18 Jahre alt ist, darf ab sofort in Kanada bis zu 30 g Cannabis in speziellen, staatlich zugelassenen Geschäften oder online kaufen, besitzen und mit anderen Erwachsenen teilen. Außerdem darf man als Erwachsener bis zu 4 Cannabispflanzen, die man ebenfalls über staatliche Stellen bezogen hat, in seinem Haushalt haben. Die müssen aber natürlich entsprechend gesichert sein, damit Kinder oder Jugendliche nicht herankommen. Die Weitergabe von Cannabis an Minderjährige oder der Bezug über nicht autorisierte Stellen stehen unter Strafe. Versteht sich, dass Autofahren oder das Bedienen von Maschinen unter Cannabis-Einfluss verboten sind. Außerdem ist es nicht erlaubt, mit Cannabis die kanadische Grenze zu überqueren, auch nicht bei der Einreise. Bei der Ausreise wäre es ohnehin ungeschickt, da im Zielland Cannabis verboten sein dürfte - außer Urugay hat kein anderes Land der Welt Cannabis bisher legalisiert.
 
Der 17. Oktober ist landesweit mit Spannung erwartet worden. Es gibt sehr wenige staatliche zugelassene Geschäfte, in BC z.B. ausschließlich eines in Kamloops, weil die Zulassung so lange dauerte (bzw. es erst einmal dauerte, bis die Regeln dafür feststanden). Außerdem wurde ein echter Run auf Cannabis vermutet und man wartet gespannt, ob es zu einer Angebotsknappheit kommt. In der Tat meldet z.B. Alberta bereits, dass die Bestände knapp werden. Jeder Haushalt hat vor dem Termin auch einen Flyer im Briefkasten gehabt, in dem die Regeln auf Englisch und Französisch noch einmal erklärt wurden.
 
Zu medizinischen Zwecken war Cannabis in Kanada übrigens bereits seit 2001 erlaubt. Wir haben auch in Vernon mehrere Läden, wo man gegen eine ärztliche Bescheinigung Cannabis erwerben konnte. Die mussten jetzt unter der neuen Regelung allerdings alle schließen. Wie es mit ihnen weitergehen soll, ist noch nicht ausdiskutiert. Gratis abgeben dürfen sie Cannabis aber offensichtlich, es ging nämlich durch die Presse, dass ein Laden genau das gemacht hat - natürlich nur an die Stammkundschaft.
 
Die Preise bewegen sich übrigens je nach Qualität zwischen 5 und 14$ pro Gramm, Öle oder Kapseln kosten bis zu 60 $ das Gramm. Die Preisfindung war durchaus schwierig, weil man teuer genug sein möchte, um nicht allzu sehr zum Konsum anzuregen (und um möglichst viel zu verdienen, natürlich), aber nicht so teuer, dass sich der Kauf auf dem Schwarzmarkt lohnen würde. Inwieweit das mit diesen Preisen gelungen ist, kann ich nicht beurteilen.

Sonntag, 7. Oktober 2018

Waldbrände 2018

Nach einem unüblich frühen Herbsteinbruch kann man jetzt die Waldbrandsituation dieses Jahr Revue passieren lassen.
2017 galt mit 12.161 km² verbrannter Fläche als ein Rekordjahr, 2018 hat es Ende August mit 13.500 km² noch übertroffen. Zum Vergleich: bei den verheerenden Waldbränden in Kalifornien, über die in der deutschen Presse ausführlich berichtet wurde, sind 6.105 km² verbrannt. Allerdings leben in Kalifornien fast 40 Millionen Menschen, in BC 4,5 Millionen und BC ist mehr als doppelt so groß wie Kalifornien.
Nichtsdestotrotz, die in 2017 und 2018 verbrannte Fläche ist größer als die der 25 Jahre davor zusammengenommen.
 
Die Ursachen sind vielfältig: auch in BC war es ein extrem heißer Sommer. In Kelowna fielen zwischen Juni und August nicht einmal die Hälfte der üblichen Regenmengen. An der Pazifikküste gab es ab 24. Juli eine Hitzewelle mit reihenweise Rekorden. Die Durschnittstemperaturen wurden hier um 5-8 Grad übertroffen, alleine 11 Ortschaften hatten neue Hitzerekorde zu vermelden mit Temperaturen teils über 40 Grad. Am Pazifik!
 
Zustände wie die in den vergangenen zwei Saisons hatten Experten erst für 2050 erwartet. Durch die wärmer werdende Arktis schwächt sich der polare Jetstream ab. Das führte dazu, dass die Hochdruckgebiete sich über British Columbia richtig festgesetzt haben - kein Wind, der sie weggeblasen hätte. So sind die Pflanzen immer stärker ausgetrocknet und es kam vermehrt zu Hitzegewittern. Gut 2/3 der Waldbrände wurden durch Blitzeinschläge ausgelöst. Allein am 11. August kam es in der Provinz zu mehr als 20.000 Blitzeinschlägen. Der Rest der Brände beruht allerdings auf menschlichem Handeln. Zur Wahrheit gehört leider auch, dass es nach wie vor gedankenlose Menschen gibt, die mitten in potenziellem Waldbrandgebiet Flaschen liegen lassen oder Zigaretten aus dem Fenster schnippen (was unter Strafe steht).
 
Die stabile Wetterlage hatte auch zur Folge, dass der Qualm der Feuer sich wie eine Dunstglocke über die Provinz gelegt hat: sobald man das Haus verlassen hat, kratzte es im Hals und tränten die Augen, auch innerhalb des Haues war der Qualm zu riechen. Die Luftqualität wurde mehrfach auch in Städten wie Vancouver mit 10+ angegeben. Das +, weil die Grenzwerte für die oberste Stufe 10 übertroffen wurden. Es wurde massiv davon abgeraten, sich im Freien zu bewegen, auf gar keinen Fall sollte man dort Sport machen. Konsequenterweise mussten in Kelowna das traditionelle Drachenbootrennen und auch der 35. Apple Triathlon (nach der Frucht, nicht der Firma) abgesagt werden. Insgesamt gab es in British Columbia 60 Tage sogenannte Air Quality Alerts.
 
Vancouver im Feuerqualm
Bild: CTV Vanvouver News
Die Brandprävention hat man aber auch lange vernachlässigt, wie Experten jetzt bemängeln. Bereits 2003 waren bei einem großen Waldbrand bei Kelowna 239 Häuser vernichtet worden. Eine daraufhin einberufene Kommission empfahl, die Umgebung von Siedlungen von potenziellem Brandmaterial wie Totholz  oder auch einzelnen Büschen zu räumen. Passiert ist seitdem wenig.
Diese präventiven Aufräumarbeiten können natürlich nur durch schweres Gerät oder kontrollierte Brände vorgenommen werden. Als Kosten wurden 2015 ca. 10.000 kanadische Dollar pro Hektar geschätzt. Ca. 10% der empfohlenen Gebiete wurden seit 2015 entsprechend bereinigt. Auch in Predator Ridge gibt es jährlich einen "Fire Smart"-Termin, bei dem Freiwillige einen Streifen des Waldes um uns herum von Totholz befreien.
 
Für die Bekämpfung der Waldbrände in 2017/2018 wurden inzwischen 1 Milliarde kanadische Dollar ausgegeben. Die Regierung unterstützt daher jetzt auch massiv die Prävention: über die nächsten drei Jahre sollen Kommunen und First Nations (die in diversen Gebieten eine eigenständige Verwaltung haben) 50 Millionen kanadische Dollar hierfür erhalten und auch im Haushalt wird ein Posten für Waldbrandprävention eingestellt. Bis die Maßnahmen wirklich greifen wird es aber noch einige Jahre dauern.
 
Derweil tauen im benachbarten Alberta durch Waldbrände die Permafrostböden unwiderruflich auf, dreimal so schnell wie erwartet. Das führt zu Schäden bei Straßen und Gebäuden und setzt jede Menge Treibhausgase frei. Im Okanagan gibt es große Einbußen bei der Honigherstellung, weil die Bienen im Rauch viel langsamer geflogen sind und die Weinbauern machen sich Sorgen, dass die Trauben das rauchige Aroma übernommen haben könnten.

Montag, 16. April 2018

Handelskriege

Über Handelskriege wird ja derzeit viel gesprochen. Es gibt aber auch einen innerhalb von Kanada: Alberta hatte zwischenzeitlich die Lieferung von Wein aus BC untersagt, droht die Öl- und Gaslieferungen nach BC zu drosseln, Premierminister Trudeau unterbricht eine Auslandsreise... Was ist da los?
 
Es geht um den Bau der Trans Mountain Pipeline, die aus den Ölsanden Albertas gewonnenes Bitumen in den Hafen von Vancouver bringen soll. Der Bau der Pipeline wurde 2016 von der kanadischen Regierung genehmigt. Sie ist Teil des Gesamtkonzepts der liberalen Regierung von Premier Trudeau mit dem man Ökologie und Ökonomie versöhnen will. Die vorhandenen Rohstoffe sollen weiter genutzt werden (im Ölsand Albertas soll mehr Öl lagern als in Saudi-Arabien), während andererseits der Preis für Kohlenwasserstoffe angehoben wird und der Schutz der Ozeane massiv vorangetrieben wird.
Der Bau ist die Erweiterung einer bereits existierenden Pipeline und wird das transportierte Volumen von 300.000 Barrel auf 890.000 Barrel täglich fast verdreifachen. Das 7,4 Mrd. $ Projekt wird von der amerikanischen Firma Kinder Morgan durchgeführt. Die entsprechend steigenden Einnahmen aus dem Verkauf sind im Budget der Provinz Alberta fest eingeplant.



Nun waren 2017 in British Columbia Wahlen und die bis dato regierenden Liberalen wurden durch eine Koalition aus NDP und Grünen abgelöst. Für die Grünen ist es gänzlich indiskutabel, dass Vancouver sich als 'grüne' Stadt präsentiert und gleichzeitig mit der Pipeline BC zu einem der größten Rohölexporteure der Welt wird. Den Bau der Pipeline zu verhindern ist Teil des Koalitionsvertrages. Die meisten Kanadier stimmen dem Plan von Premierminister Trudeau zu, die Öl- und Gasressourcen des Landes auszubeuten, während auf eine karbonfreie Wirtschaft umgestellt wird. In BC wird das kontrovers gesehen, 23% sind dafür, 24% dagegen.
 
BCs Premier Horgan besteht darauf, dass er niemandem drohen will, aber sich natürlich um seine Provinz kümmern muss. Er hat allerdings schon sehr früh einen früheren Richter des Supreme Court engagiert, um nach gesetzlichen Möglichkeiten zu suchen, den Bau der Pipeline zu stoppen. Nach der kanadischen Verfassung ist hier eindeutig die Zentralregierung zuständig. Aber BC hat natürlich Möglichkeiten: die Umweltverträglichkeit kann neu geprüft werden, es können auch neue Provinzgesetze geschaffen werden, die weitere Prüfungen verlangen. Diese würden vermutlich von der Zentralregierung gekippt, aber das ist langwierig und wäre für die Regierung in Ottawa auch politisch riskant - Trudeau kann es sich nicht leisten, viele Wähler in BC zu vergraulen. Horgan könnte aber auch einfach auf die zu erwartenden Rechtsstreite mit Umweltverbänden und First Nations setzen.
 
Im Februar verkündete die Regierung von BC, dass man erst genauer prüfen will, welche Lösungen für mögliche Unfälle vorgesehen sind. So wäre nicht klar, wie sich das zu transportierende verdünnte Bitumen in Wasser verhält. Darauf reagierte Alberta dann mit dem Verkaufsstopp für BC Wein. Dieser wurde nach zwei Wochen aufgehoben, als Premier Horgan bekannt gab, vor Gericht prüfen zu lassen, ob BC das Recht hat, nationale Vorhaben durch Provinzgesetze zu beeinflussen. Das hält ihn aber nicht davon ab, weiterhin zu drohen, die Regeln in BC so zu verändern, dass weniger Öl durch die Pipelines transportiert werden darf. Die oppositionellen Liberalen in BC weisen derweil darauf hin, dass durch solche Vorhaben vermehrt Rohöl auf der Schiene transportiert werden könnte: das Risiko ist hier höher als bei Pipelines und dieser Transportweg entzieht sich definitiv der Zuständigkeit der Provinzregierung.
 
Die fortlaufenden Diskussionen haben dazu geführt, dass Kinder Morgan am 8. April angekündigt hat, alle nicht-essentiellen Arbeiten an der Pipeline einzustellen. Bis 31. Mai will man Garantien der Regierung, dass das Projekt fertiggestellt werden wird, sonst könne man seinen Aktionären diese finanzielle Unsicherheit nicht zumuten. Alberta überlegt jetzt, sich finanziell beim Bau der Pipeline zu engagieren, bis hin zum Kauf der Pipeline, erwartet aber auch von der Zentralregierung ein entsprechendes Engagement.
 
Nachdem es Anfang April in einer Sitzungspause bereits ein Emergency-Meeting des kanadischen Kabinetts zu dem Fall gab, hat Justin Trudeau jetzt auf dem Weg von Lima nach Paris Sonntag einen ungeplanten Zwischenstopp in Ottawa gemacht, um mit den beiden Premiers die weitere Vorgehensweise zu besprechen. Nach dem Treffen stellt er noch einmal fest, die Pipeline werde in jedem Fall gebaut. Er könnte sie offiziell als von 'national interest' deklarieren und damit eindeutig die Zuständigkeit an sich ziehen. Davor schreckt er aber vermutlich zurück, weil das seiner Partei in British Columbia sehr schaden dürfte. Auch die von Albertas Premier vorgeschlagene Einschränkung nationaler Transferleistungen an BC dürfte aus demselben Grund unterbleiben. Trudeau versucht weiterhin, den Konflikt 'auf die kanadische Art' zu lösen: mit vielen freundlichen Gesprächen mit allen Beteiligten.
 
Die nationale Opposition nutzt das natürlich aus und sieht eine Gefährdung des kanadischen Rufs. Die Verlässlichkeit gegenüber der Industrie stehe auf dem Spiel.
 
Premier Horgan wies hingegen darauf hin, dass die erforderlichen Genehmigungen ohne Verzögerung abgearbeitet werden. Von Kinder Morgan wurden bisher 587 Provinz-Genehmigungen angefragt, davon sind 201 genehmigt, 386 noch in Prüfung. Insgeamt sind allerdings 1.187 Genehmigungen erforderlich, von denen viele eine Konsultation mit betroffenen First Nations erfordern, die traditionell derlei Vorhaben kritisch gegenüber stehen.
 
Der Krimi dürfte also in jedem Fall weitergehen.