Montag, 16. April 2018

Handelskriege

Über Handelskriege wird ja derzeit viel gesprochen. Es gibt aber auch einen innerhalb von Kanada: Alberta hatte zwischenzeitlich die Lieferung von Wein aus BC untersagt, droht die Öl- und Gaslieferungen nach BC zu drosseln, Premierminister Trudeau unterbricht eine Auslandsreise... Was ist da los?
 
Es geht um den Bau der Trans Mountain Pipeline, die aus den Ölsanden Albertas gewonnenes Bitumen in den Hafen von Vancouver bringen soll. Der Bau der Pipeline wurde 2016 von der kanadischen Regierung genehmigt. Sie ist Teil des Gesamtkonzepts der liberalen Regierung von Premier Trudeau mit dem man Ökologie und Ökonomie versöhnen will. Die vorhandenen Rohstoffe sollen weiter genutzt werden (im Ölsand Albertas soll mehr Öl lagern als in Saudi-Arabien), während andererseits der Preis für Kohlenwasserstoffe angehoben wird und der Schutz der Ozeane massiv vorangetrieben wird.
Der Bau ist die Erweiterung einer bereits existierenden Pipeline und wird das transportierte Volumen von 300.000 Barrel auf 890.000 Barrel täglich fast verdreifachen. Das 7,4 Mrd. $ Projekt wird von der amerikanischen Firma Kinder Morgan durchgeführt. Die entsprechend steigenden Einnahmen aus dem Verkauf sind im Budget der Provinz Alberta fest eingeplant.



Nun waren 2017 in British Columbia Wahlen und die bis dato regierenden Liberalen wurden durch eine Koalition aus NDP und Grünen abgelöst. Für die Grünen ist es gänzlich indiskutabel, dass Vancouver sich als 'grüne' Stadt präsentiert und gleichzeitig mit der Pipeline BC zu einem der größten Rohölexporteure der Welt wird. Den Bau der Pipeline zu verhindern ist Teil des Koalitionsvertrages. Die meisten Kanadier stimmen dem Plan von Premierminister Trudeau zu, die Öl- und Gasressourcen des Landes auszubeuten, während auf eine karbonfreie Wirtschaft umgestellt wird. In BC wird das kontrovers gesehen, 23% sind dafür, 24% dagegen.
 
BCs Premier Horgan besteht darauf, dass er niemandem drohen will, aber sich natürlich um seine Provinz kümmern muss. Er hat allerdings schon sehr früh einen früheren Richter des Supreme Court engagiert, um nach gesetzlichen Möglichkeiten zu suchen, den Bau der Pipeline zu stoppen. Nach der kanadischen Verfassung ist hier eindeutig die Zentralregierung zuständig. Aber BC hat natürlich Möglichkeiten: die Umweltverträglichkeit kann neu geprüft werden, es können auch neue Provinzgesetze geschaffen werden, die weitere Prüfungen verlangen. Diese würden vermutlich von der Zentralregierung gekippt, aber das ist langwierig und wäre für die Regierung in Ottawa auch politisch riskant - Trudeau kann es sich nicht leisten, viele Wähler in BC zu vergraulen. Horgan könnte aber auch einfach auf die zu erwartenden Rechtsstreite mit Umweltverbänden und First Nations setzen.
 
Im Februar verkündete die Regierung von BC, dass man erst genauer prüfen will, welche Lösungen für mögliche Unfälle vorgesehen sind. So wäre nicht klar, wie sich das zu transportierende verdünnte Bitumen in Wasser verhält. Darauf reagierte Alberta dann mit dem Verkaufsstopp für BC Wein. Dieser wurde nach zwei Wochen aufgehoben, als Premier Horgan bekannt gab, vor Gericht prüfen zu lassen, ob BC das Recht hat, nationale Vorhaben durch Provinzgesetze zu beeinflussen. Das hält ihn aber nicht davon ab, weiterhin zu drohen, die Regeln in BC so zu verändern, dass weniger Öl durch die Pipelines transportiert werden darf. Die oppositionellen Liberalen in BC weisen derweil darauf hin, dass durch solche Vorhaben vermehrt Rohöl auf der Schiene transportiert werden könnte: das Risiko ist hier höher als bei Pipelines und dieser Transportweg entzieht sich definitiv der Zuständigkeit der Provinzregierung.
 
Die fortlaufenden Diskussionen haben dazu geführt, dass Kinder Morgan am 8. April angekündigt hat, alle nicht-essentiellen Arbeiten an der Pipeline einzustellen. Bis 31. Mai will man Garantien der Regierung, dass das Projekt fertiggestellt werden wird, sonst könne man seinen Aktionären diese finanzielle Unsicherheit nicht zumuten. Alberta überlegt jetzt, sich finanziell beim Bau der Pipeline zu engagieren, bis hin zum Kauf der Pipeline, erwartet aber auch von der Zentralregierung ein entsprechendes Engagement.
 
Nachdem es Anfang April in einer Sitzungspause bereits ein Emergency-Meeting des kanadischen Kabinetts zu dem Fall gab, hat Justin Trudeau jetzt auf dem Weg von Lima nach Paris Sonntag einen ungeplanten Zwischenstopp in Ottawa gemacht, um mit den beiden Premiers die weitere Vorgehensweise zu besprechen. Nach dem Treffen stellt er noch einmal fest, die Pipeline werde in jedem Fall gebaut. Er könnte sie offiziell als von 'national interest' deklarieren und damit eindeutig die Zuständigkeit an sich ziehen. Davor schreckt er aber vermutlich zurück, weil das seiner Partei in British Columbia sehr schaden dürfte. Auch die von Albertas Premier vorgeschlagene Einschränkung nationaler Transferleistungen an BC dürfte aus demselben Grund unterbleiben. Trudeau versucht weiterhin, den Konflikt 'auf die kanadische Art' zu lösen: mit vielen freundlichen Gesprächen mit allen Beteiligten.
 
Die nationale Opposition nutzt das natürlich aus und sieht eine Gefährdung des kanadischen Rufs. Die Verlässlichkeit gegenüber der Industrie stehe auf dem Spiel.
 
Premier Horgan wies hingegen darauf hin, dass die erforderlichen Genehmigungen ohne Verzögerung abgearbeitet werden. Von Kinder Morgan wurden bisher 587 Provinz-Genehmigungen angefragt, davon sind 201 genehmigt, 386 noch in Prüfung. Insgeamt sind allerdings 1.187 Genehmigungen erforderlich, von denen viele eine Konsultation mit betroffenen First Nations erfordern, die traditionell derlei Vorhaben kritisch gegenüber stehen.
 
Der Krimi dürfte also in jedem Fall weitergehen.