Sonntag, 20. Oktober 2019

Wahlen in Kanada

Am 21.Oktober sind Wahlen in Kanada und Amtsinhaber Justin Trudeau hat einen schweren Stand. Nach aktuellen Umfragen führt er 0,4 Prozentpunkte vor seinem Hauptgegener, der Konservativen Partei und an die absolute Mehrheit wie 2015 ist nicht zu denken.

Sein größtes Problem im Wahlkampf war dabei die sogenannte "SNC-Lavalin-Affäre".

SNC-Lavalin ist eine Baufirma aus Montréal, der vorgeworfen wird, bis zu 50 Millionen Dollar an Bestechung für libysche Staatsangestellte gezahlt zu haben. In Kanada werden Firmen, die gegen die strikten Anti-Korruptionsrichtlinien verstoßen, bis zu 10 Jahre von der Ausschreibung öffentlicher Aufträge ausgeschlossen. Die Firma bemühte sich insofern, nachdem ein entsprechendes Verfahren eingeleitet worden war, um ein sogenanntes DPA (deferred prosecution agreement). Der Generalstaatsanwalt kann unter einem DPA die Verfolgung von Straftaten verschieben, wenn das betroffene Unternehmen Entschädigungen leistet und glaubwürdig interne Kontrollen aufbaut, um entsprechende Straftaten in der Zukunft zu verhindern.

Justin Trudeau und Jody Wilson-Raybould - Quelle:BBC


Die zuständige Justizministerin Jody Wilson-Raybould wollte jedoch nicht zu diesem Mittel greifen, da sie den entsprechenden Behörden vertraute und jeden Eindruck politischer Einmischung vermeiden wollte. Das Mittel der DPA wurde übrigens nach Publikwerden der Bestechungsvorwürfe und vor der offiziellen Anklage auf massives Betreiben von u.a. SNC-Lavalin erst eingeführt.

Justin Trudeau, in dessen Wahlbezirk SNC-Lavalin seinen Hauptsitz hat, hatte nach dieser Entscheidung ein Meeting mit Jody Wilson-Raybould, in der er ihr die wirtschaftlichen Folgen für die Region vor Augen führte und sie bat, diese Entscheidung zu überdenken. Die Justizministerin fühlte sich durch Trudeau wie auch in der Folge durch mehrere seiner Mitarbeiter massiv unter Druck gesetzt, was der Premierminister natürlich anders sieht. Der Ethikkomissar nahm eine Untersuchung auf und bestätigte, dass hier unangemessen Druck ausgeübt wurde. Ernsthafte Strafen kann er allerdings nicht verhängen, Justin Trudeau hatte einige 100 Dollar zu zahlen.

Im Januar diesen Jahres gestaltete Justin Trudeau sein Kabinett um und machte Jody Wilson-Raybould von der Justiz- zur Veteranenministerin. Einen Monat später trat sie zurück. In der Folge trat auch die Haushaltsministerin Jane Philpott zurück. Beide Frauen wurden im April von Justin Trudeau auch aus der Fraktion ausgeschlossen und nicht wieder als Kandidatinnen für die jetzt stattfindenden Wahlen aufgestellt.

Neben  den Vorwürfen, Korruption zu decken, ist die Affäre für Justin Trudeau unangenehm, da Jody Wilson-Raybould als Angehörige der First Nations ein besonderes Aushängeschild für seine Politik des Ausgleichs mit den kanadischen Ureinwohnern war. Ein kürzlich aufgetauchtes Foto aus 2001, das Trudeau im Rahmen einer Schulfeier mit geschwärztem Gesicht zeigt, wird heute ebenso als unpassend empfunden. Auch dass die Regierung Trudeau Berufung einlegt gegen ein Urteil des Canadian Human Rights Tribunal über Entschädigungszahlungen an Angehörige der First Nations wegen erlittenen Unrechts im Rahmen früherer Erziehungsprogramme in den Reservaten, passt nicht ins Bild des multikulturellen Premiers. Er liefert hier einige Angriffspunkte, die seine Gegner gerne nutzen.

Gewählt werden übrigens 338 Abgeordnete des Unterhauses, nach dem relativen Mehrheitswahlrecht. Also, wer in einem Wahlbezirk die meisten Stimmen erhält, ist gewählt. Die Wahlbezirke werden alle 10 Jahre von einer parteiunabhängigen Kommission auf Basis des Zensus neu verteilt. Dabei gilt aber, dass keine Provinz weniger Abgeordnete haben darf, als zu der Zeit, als sie der Konföderation beigetreten ist. Provinzen mit Bevölkerungszuwachs, wie Ontario oder British Columbia, sind insofern ggü. Provinzen mit Bevölkerungsschwund, wie Nova Scotia oder Prince Edward Island etwas unterrepräsentiert.
Die Wahlen werden immer an einem Montag durchgeführt. Die Wahlzeiten werden so gelegt, dass möglichst alle Ergebnisse zur gleichen Zeit vorliegen. Bei 6 Zeitzonen kann es in Zeiten von Social Media allerdings vorkommen, dass die Ergebnisse aus dem Osten bereits publik werden, während in British Columbia die Wahllokale noch geöffnet sind.
Entlegene Wohngegenden wie Leuchttürme oder Orte, die nur per Flugzeug erreichbar sind, werden übrigens von Service Agents besucht. Sie reisen vor der Wahl mit den Wahlurnen an und reisen weiter, wenn alle Anwohner gewählt haben.

Wahlberechtigt sind alle Kanadier ab 18 Jahren.  Man lässt sich entweder bei Elections Canada als Wähler registrieren und erhält dann eine Voter Card, oder man weist sich durch ein oder mehrere Dokumente aus, die die Identität (Foto) und die aktuelle Adresse nachweisen. Das geht vom üblichen Führerschein bis hin zum Blutspendeausweis. Es gibt eine lange offizielle Liste der zulässigen Dokumente. 
Früher durften Kanadier, die länger als 5 Jahre außer Landes gelebt haben, nicht wählen. Inzwischen kann man sich registrieren lassen und wählt dann für den Wahlbezirk, der die letzte Adresse in Kanada war.